Bevor ich mich auf die Seitenstraßen der diesjährigen gamescom begebe, möchte ich noch ein paar Zahlen loswerden. Das Jubiläum der Messe hat ordentlich zugelegt. Minimal erhöhtes Fachbesucheraufkommen, mehr Internationalität der Aussteller was dazu beitrug, dass die 1.000er Marke der Aussteller übertroffen wurde. Die Besucherzahl hat sich dieses Jahr ebenso erhöht. Dies führte allerdings bei den Blockbusterständen zu erheblichem Menschenaufkommen. Dies soll für das nächste Jahr optimiert werden. Schon während der Eröffnung wurden erstmals Weltpremieren gezeigt wie Schenmu 3, Desperados 3, Man of Medan, und ein neues Siedlerspiel für 2019.
Neben der Vorstellung großartiger Spiele, Innovationen und Shows, wurde auch die politische Debatte in Form des „Debatt(l)e Royale” geführt. Hier stellten sich Spitzenpolitiker den Fragen der Moderatoren. Unter anderem wurde die Umsetzung der Entwicklungsförderung bis zur nächsten gamescom in Aussicht gestellt. Wobei die eine Partei Innovation fördern möchte, die andere pädagogisch wertvolle Entwicklungen und eine andere nur kleine Studios. Da gibt es in Berlin noch viel Zündstoff bis etwas in trockenen Tüchern liegt. Der zuschauende Gamer merkte auch, dass die Politiker teilweise noch nicht wirklich in der Materie angekommen sind und nicht aus ihrer politischen Haut entfliehen konnten. Das wurde beim Thema eSports und flächendeckendem Internet deutlich. Das eSport als Sportart anerkannt werden soll, darüber waren sich die Politiker einig. Wenn auch nicht über die Art und Weise wie. Die einen wollen politischen Druck aufbauen und andere verweisen auf den olympischen Sportbund. Belustigend auch die Aussage, warum eSport im Koalitionsvertrag steht: 91 Anwesende deren Gesichter die völlige Ahnungslosigkeit der Materie widerspiegeln und sich aus dem Grund nicht trauten zu widersprechen. Eine Partei plädiert sogar dafür, eSport in Schulen und Horts zu fördern, was ich persönlich für ausgemachten Blödsinn halte. Daddeln in der Schule? Fördern ja, aber bitte nicht übertreiben.
Den Politiker in Reinkultur erlebte man bei Fragen nach Einwanderung und Flächendeckung. 115 Sekunden schwadronieren, ohne Aussage, Zwischenfragen völlig ignorierend. Ja, so ist Politik. Es könnte so einfach sein.
Kommen wir zu weiteren Seitenstraßen der gamescom. Über die Sozialadäquanzklausel, welche Hakenkreuze in Videospielen im Einzelfall nun erlaubt, habe ich schon berichtet. Alle Politiker des Debatt(l)e Royale befürworteten übrigens diese Entscheidung. Das erste Spiel, welches diese Freigabe bekommen hat, wurde auf der gamescom schon zur Schau gestellt. In „Through the Darkest of Times” des Berliner Entwicklerstudios Paintbucket Games, stellt der Spieler eine Widerstandsbewegung gegen das Naziregime auf die Beine. Schon sieht man die Uneinigkeit der Politiker, denn das Spiel wurde auch kritisiert. Zum Beispiel bei der Aussage „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht.” von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Sie war nicht die einzige.
Den Vogel aber schießt die Bundeswehr ab. OK, niemand will da hin und sie haben wohl Angst vor dem alten aber guten Ausspruch: Stell Dir vor es ist Krieg und niemand geht hin. So denkt die Bundeswehr wohl, sie könne eine Menge neuer Rekruten auf der gamescom bekommen. Der Stand dort ist nicht neu, aber die Werbekampagne in diesem Jahr sprengt doch den guten Geschmack. Plakate in Köln rund um das Messegelände im Stil von Battlefield mit den Worten „Multiplayer at its best! - Echte Kameradschaft statt Singleplayermodus?” oder „Mehr Open World geht nicht! - An Deine Grenzen gehen statt in Deinem Level festhängen?”
Den Gamern in der Killerspieldebatte vorwerfen wollen, dass sie virtuelles töten nicht von echtem unterscheiden können – und dann sowas? Die Bundeswehr unterschlägt einige fehlende Features in ihrem „Game”. Nämlich, dass man nur ein Leben hat und ein Respawn noch gar nicht bewiesen ist. Von nicht vorhandenen Speicherpunkten oder fehlendem Reset ganz zu schweigen. Aber die Gegner KI ist überragend wenn es zur Action kommt und einen Einsteigermodus sucht man vergebens. Von dem Tutorial will ich gar nicht erst anfangen. Wenn das der beste Multiplayer sein soll ist Afghanistan wohl die hauseigene Bundeswehr Convention? Den M-M-M-Monsterkill wirst Du nicht mehr hören können. Mir sind die 1.000 Freunde Online lieber als der eine Kamerad, der vielleicht im Krieg sterben musste. Ein Clan ist definitiv viel sicherer als die Kompanie im Kriegsgebiet – Nur um auf weitere Slogans der Bundeswehr einzugehen. Ich hätte noch viel mehr davon. Schade, dass ich nicht vor Ort war und einem Pseudo-General ein paar Fragen dazu stellen konnte.
Ich bin sehr für den eSport und die Förderung der deutschen Gamesbranche aber nicht in der Schule. Und nach dem Abschluss zur BW-Con nach Afghanistan? Haben wir das wirklich nötig? hg
Ich poste keine Bilder der Bundeswehr-Werbung, da ich selbst keine habe. Aber Google hat sie. Was man da alles zu sehen bekommt...